Die Tage in Quito

Donnerstag, 13.03.2014

Eigentlich dachte ich, ich hätte sehr viel Zeit in Quito, aber nun reise ich schon morgen ab, die zwei Wochen sind um ...
Daher hier ein bissl was zu meinem Alltag und meinen Erlebnissen hier. Ich habe mich an der Spanischchule in Quito für 40 h Einzelunterricht angemeldet. Hatte kurz mal überlegt, die zweite Woche in Cumbaya an der Uni zu machen, aber es gefiel mir in Quito. Am ersten Schultag bin ich noch mit dem Taxi gefahren, weil ich nicht ganz sicher war, wie der Bus fährt. Die Schule organisiert auch immer wieder Ausflüge, Film- oder Kochabende oder man kann zwei Mal die Woche zum Salsakurs. Meine erste Lehrerin Betty war auch super nett. Am ersten Tag ist sie mit mir zurück gefahren, um mir zu zeigen, wie die Busse fahren. So kommt es, dass ich morgens mit Vivi und Pablo an die Uni fahre, dann ca. 7 Min. Richtung Cumbaya Zentrum laufe, mir ein Ticket für 25 Ct kaufe, mich in die Schlange stelle und warte bis der nächste kleine, grüne Bus Platz hat. Mitunter bin ich die einzige "Gringa" die mit dem Bus fährt... da fällt man schon auf... 🙂 Schön ist, dass der Bus den alten Weg nach Quito über Guápolo fährt, über die via de los conquistadores. Die Kirche in Guápolo ist auch eine der ältesten und schönsten, sehr sehenswert.
Guapoló Sicht auf Quito
Im Viertel Floresta steig ich dann in einen Stadtbus und fahre für weitere 25 Ct mehr ins Zentrum. Anschließend lauf ich nochmal 10 min bis zur Schule. Insgesamt brauch ich etwa 1 Stunde, aber mir gefällts. Die Busse sind auch nicht so voll wie z.Bsp. die EcoVia, eine der Routen, die von Norden nach Süden fahren. Einmal musste ich im EcoVia eine Station später aussteigen, weil ich einfach nicht durch die Menge kam. Das sind natürlich auch die Momente, wo man gut auf seine Sachen aufpassen muss. Einem Lehrer der Schule wurde am Freitag der Rucksack aufgeschnitten und alles geklaut... und nur, dass es keine Missverständnisse gibt, das kann nicht nur Gringos oder Blancos passieren, sondern allen hier!!! Alle Einheimischen tragen ihre Rücksäcke am Bauch. Aber in den zwei Wochen hatte ich keine einzige Situation, in der ich mich unwohl gefühlt habe. Als ich mal meine Kreditkarte dabei hatte, habe ich sie einfach ganz Südamerika-like in den BH gesteckt 🙂 (die Frauen hier stecken sich sogar die Handys dorthin).
Morgens sind in der Schule Menschen jeden Alters und Herkunft, Nachmittags eher jüngere und fast ausschließlich Deutsche. Bisher habe ich beim rumreisen eher Amerikaner gesehen, aber Quito ist voll mit Deutschen. Mit Helen, einer Schweizerin, habe ich mich schnell angefreundet. Nach der Schule bin ich die erste Woche mal im Museum gewesen, mal im Zentrum und auch beim Salsakurs. Die zweite Woche war ich meist mit Helen essen, beim Zahnarzt (keine Sorge alles ok, aber einige Sachen kosten hier weniger als zu Hause), im Museum und zweimal beim Salsakurs. Beim letzten Salsakurs am Donnerstag hätte ich auch fast eine Einzelstunde vom Lehrer bekommen, aber nach 5 Minuten kamen doch noch drei ... Damn! 🙂 Die Lehrerin der zweiten Woche, Edith, war auch super nett. Wir haben viel gelacht und viel geredet. Sie hat mir auch noch einmal viel erzählt über ihr und das Leben in Ecuador. Z.Bsp. dass ihre Mutter eine Blanca aus guten Haus ist und von ihrer Familie verstoßen wurde, weil sie einen dunkelhäutigen geheiratet hat.

Kleine ethnologische Aufklärung: laut meiner Lehrerin teilt sich Ecuador ethnologisch in vier Gruppen: mestizos (77%) ("Mischlinge"), indigenos (7%), afroecuadorianos (5%) (im Volksmund negros) und blancos (10%).

Sie hat vier Geschwister und die Familie hat sich zuerst nur zwei Betten geteilt. Erst mit den Jahren haben dann irgendwann alle ihr eigenes Bett bekommen. Sie selbst lebte noch bis 30 zu Hause, weil man das Elternhaus erst mit der Heirat verlassen konnte. Aktuell ist sie über 40, reist viel und hat sich gegen das klassische Leben mit Kindern entschieden. Das ist eher selten hier. Kinder sind heilig, so sind z.Bsp. auch Abtreibungen verboten. Die Pille ist aber verfügbar und auch die Nutzung eines Kondoms ist bei Jugendlichen normal und seit ein paar Jahren wird auch über die Existenz der Pille danach aufgeklärt. Einmal, hat sie erzählt, wollte sie nach Curaçao fliegen ohne ihren Mann, von dem sie sich gerade trennte. Der Polizist am Flughafen hat sie aber nicht ausreisen lassen, weil sie ohne ihren Mann unterwegs war und keinen legalen Beweis hatte, dass sie sich trennen ... und das war vor 2 Jahren! Unglaublich und für mich unvorstellbar. Ist ihr aber nur einmal passiert. Sie hat mir auch erzählt, dass sie früher viel ängstlicher war, aber mittlerweile einfach ohne Schmuck und schickes Handy aus dem Haus geht. Es kann einem jeder Zeit passieren, dass man überfallen wird oder einem in unachtsamen Momenten etwas geklaut wird. Sie selbst hat es etwa 10 Mal erlebt, aber nur einmal mit Waffen. Von Vergewaltigungen hat sie nur im privaten gehört, nicht über welche auf der Straße... was mich enorm beruhigt. Worauf man natürlich achten muss, ist abends beim Weggehen. Einem Deutschen aus der Schule, Georg, ist es nämlich passiert, dass er beim Weggehen zum Klo ist und 6 Stunden später irgendwo in Quito wieder aufgewacht ist, natürlich ohne Geld. Es gibt hier so ein Droge die dich gefügsam macht, sie kann dir über Flyer übertragen werden oder ins Gesicht gepustet werden. Gerade letzte Woche war an der Uni in Cumbaya eine Frau unterwegs, die Studenten auf English ansprach, ob man ihr helfen könnte und zeigte auf ein Blatt. Einem Studenten wurde schwindelig und er ist gleich weg, konnte aber noch ein Foto machen, die Polizei sucht nach der Frau. Nun gut, genug Schauergeschichten 🙂 Ich gehe hier einfach sehr selbstbewusst, achtsam und mit gesundem Menschenverstand, aber mit mehr Misstrauen als sonst durch die Gegend und kann meinen Aufenthalt so in vollen Zügen genießen.

Zurück zu Spanisch: Gerade nach der zweiten Woche, habe ich gemerkt, wie mein Spanisch fliessender wird. Eigentlich wäre eine Woche mehr noch gut gewesen ... aber ich verbringe ja noch 7 Wochen in Südamerika, Zeit zum üben bleibt! Die zweite Woche in der Schule habe ich auch noch mehr Leute kennengelernt, daher ist es schade, dass ich jetzt gehen muss, aber so is es. Oh und funfact: habe eine Amerikanerin kennengelernt aus Washington. Sie hat mich gefragt woher ich komme, ich meinte Luxemburg. Da sagte sie, dass sie in Brüssel mit einem Prinzen aus Luxemburg auf der Schule war. Ich meinte, welcher denn? Na Félix! Ah, sagte ich, mit dem war ich auch drei Jahre in der Grundschule! 🙂 Lustiger Zufall!!!

Am Mittwoch haben wir dann noch eine Exkursion mit der Schule gemacht nach Cochasqui ca. 1,5 h nördlich von Quito. Es war unglaublich interessant. Dort gibt es noch alte Pyramiden von der indigenen Bevölkerung vor der Ankunft der Incas im 15 Jhd. Die Pyramiden bestehen zwar aus Stufen, verfügen aber über ein Plateau. In Cochasqui gibt es mehrere unterschiedlicher Größe sowie runde Grabhügel. Vor den Pyramiden gibt es eine Rampe, somit sehen sie aus wie Skorpione (siehe Bild), ein Symbol was in der Kultur der Bevölkerung eine große Rolle spielte. Heute sind die Pyramiden mit Boden und Gras bedeckt. Sie wurden von deutschen Archäologen untersucht. Die Pyramiden waren Orte für Zeremonien und Opferungen aber sie hatten auch noch eine andere wichtige Funktion.

Auffällig ist, dass die meisten dieser Stätten in Ecuador genau am Mitad del Mundo, also am Äquator verlaufen. Das hat natürlich vor allem mit dem speziellen Stand der Sonne hier zu tun. Eine der Pyramiden, die einzige, die freigelegt ist, verfügte dementsprechend über einen Kalender. Es gab einen kleineren Kreis (Bild rechts). Dieser hat zwei Kanäle mit länglichen Steinen, derer 13 Stück an der Zahl. Dieser Kreis ist der Mondkalender. Die 13 Steine entsprechen den 13 Mondphasen eines Jahres. Daneben gab es einen größeren Kreis (Bild links) ebenfalls mit zwei Kanälen. Beide Kanäle enthalten 14 Steine, also 28 insgesamt. Jede Mondphase besteht aus 4 Phasen à 7 Tage, eine komplette Mondphase also aus 28 Tagen. Die 13 Mondphasen à 28 Tage ergeben dann 364 Tage, also ein ganzes Jahr. 🙂 (in den Bildern sind nur noch noch einige der länglichen Steine abgebildet)

Wir haben dann noch Nachbauten der damaligen Behausungen sehen können. So z.Bsp. runde Bauten mit einem Baum in der Mitte, el arbol de la vida. Es ging auch noch einmal ums Essen und alte Traditionen. Cui (also Meerschweinchen) haben nicht nur ein tolles chloesterinniedriges Fleisch (und sind das teuerste Gericht hier) sondern hatten damals noch mehr Nutzen. So hielten sich die Menschen damals Cui um zu wissen, ob der Mensch vor der Tür ein guter oder böser ist. Sie machten dies am Geräusch der Cui fest. Oder Shamanen nutzen Cui um rauszufinden, was einen krank macht. Er hielt das Tier über den gesamten Körper des Kranken, schnitt nachher das Cui auf und konnte sehen, was derjenige hat. Ach und kleiner Funfact: Gibt man einem Cui und einem Hamster nichts zu essen, stirbt das Cui und der Hamster nicht, weil der Hamster seine eigenen Exkremente ist, das Cui nicht! Noch ein Grund mehr, dass das Cui-essen noch auf meiner To-Do-Liste steht. 🙂

Ein weitere interessante Information war die Nutzung von Kreuzen zu dieser Zeit. Sie dienten der Bevölkerung als Orientierungspunkte. Der Guide gab drei symbolische Bedeutungen: 1) das Kreuz repräsentiert den Norden, Süden, Westen und Osten, 2) die vier Elemente Luft, Erde, Feuer und Wasser aber 3) auch die für die Navigation wichtige Sternenkonstellation des Südkreuzes. Lustigerweise dachten die Konquisatoren im 16 Jhd., dass sie hier auf Christen treffen (obwohl das Kreuz sich mittig kreuzt). Heute findet man an vielen dieser ehemaligen indigenen Orientierungspunkte Marien-statuen (z.Bsp. die Virgin de Otavalo). Der Sternenhimmel soll hier übrigens besonders schön sein, da man am Äquator fast nirgends dem Himmel so nah sein kann wie hier (ca. 3300 m).

Caballero del Diablo

Weiteres Highlight dieser Woche: wir waren mit Vivis und Pablos Freunden im IMax-Kino und ... ich war feiern im Ausgehviertel Quitos, in der Mariscal Foch!!! Helen und ich (sieh wohnt auch eine Stunde entfernt) haben uns ein Hostelzimmer genommen, um abends zur Ladynight zu gehen. Wir waren zu viert vorher essen, noch mit einer Deutschen und einer Ecuadorianerin. Danach wollten wir ins Bungalow, leider hatte die Ecuadorianerin keinen Ausweis, da sie letzte Woche ausgeraubt worden ist. Zwei sind dann woanders etwas trinken gegangen und Helen und ich sowie unsere Mitbewohnerin im Hostel sind dann zur Ladynight. Eine lustige Sache. Bis 22:00 kommen nur die Frauen rein und dürfen umsonst trinken. Die Männer müssen stattdessen in einem Raum im ersten Stock warten. Um 22:00 erläutet dann eine Glocke und die Männer dürfen runter. Ich musste so lachen, eigentlich hätte man "It's raining men..." spielen müssen. Es war aber noch ein lustiger Abend, wir haben viel getanzt mit mehreren Leuten. Das Publikum war sehr gemischt, sowohl Einheimische als auch Gringos. Was einem schon auffällt, ist, dass die Latinos den Gringas etwas mehr Beachtung schenken als den Latinas ... nun ja, man geht davon aus, dass diese sich im Urlaub etwas amüsieren wollen und somit schneller zu haben sind. Ich fands schön etwas zu feiern und zu tanzen, aber um 1:30 hatte ich dann genug, am nächsten Tag war doch auch Schule!!! 😉

Ja jetzt bin ich gerade bei Pablo und Vivi, mein letzter Abend. Eigentlich habe ich noch soviel zu erzählen, aber leider keine Zeit mehr. Morgenfrüh kommt Herr Estrella vom ersten Tag mich um 4:30 abholen. Für mich steht die letzte der vier Regionen Ecuadors an, die Galapagosinseln. Dort werde ich einen ganzen Monat verbringen!!! Die Vorfreude ist riesig.

An dieser Stelle will ich Pablo und Vivi, aber auch Pablos Mutter Patricia noch einmal von ganzem Herzen für ihre unglaubliche liebevolle Gastfreundschaft danken! Dank ihnen konnte ich Ecuador noch besser kennenlernen und ich habe mich wirklich in dieses Land verliebt. So unglaublich vielfältig auf kleinem Raum und das sowohl landschaftlich, biologisch als auch kulturell! Es gibt hier soviel zu entdecken, eine Reise reicht dafür überhaupt nicht aus. Ecuador ama la vida ist der Slogan des Landes ... und das merkt man an allen Ecken! Vivi und Pablo, wo auch immer es mich nach meiner Reise hinverschlägt, ihr seid mehr als willkommen, ich kann euch für die Zeit gar nicht genug danken!!! Hier noch das Bild vom Grillabend, das eigentlich nur für Andreas Hartmann bestimmt war, er weiß warum 😛!

Morgen geht es auf die Galapagos-Inseln, mein Internetzugang dort ist etwas beschränkt, daher macht euch keine Sorgen, wenn ihr eine zeitlang nichts von mir hört! Mir geht es gut 🙂

P.S.: hab die Fotos vom Seilgarten erhalten und im vorherigen Artikel eingefügt